Marcos und Daniel – die Geschichte zweier Brüder

Die Geschichte gibt Einblick in das Leben von zwei unserer Kinder bei educare und zeigt die schreckliche Realität, in der sehr viele Kinder täglich leben müssen. Meist sind dabei die größten Geschwister diejenigen, die versuchen das nicht funktionierende Familiensystem aufzufangen, indem sie Verantwortung für ihre kleineren Geschwister übernehmen und ihre eigenen Bedürfnisse dabei oftmals zu kurz kommen.

So auch Daniel (Name geändert). Er ist 15 Jahre alt, hat 4 kleinere Geschwister, seine Mutter ist von Drogen abhängig und für ihn ist es keine Option bei ihr zu wohnen. Er lebt mit anderen Jugendlichen bei educare in einer WG und sieht seine Mutter nur noch selten. Sein kleinster Bruder Marcos (Name geändert) ist 3 Jahre alt. Meistens kommt Marcos 3-/4- mal die Woche zu educare, um dort mit anderen Kindern zu spielen und seinen großen Bruder zu sehen. Doch immer dann, wenn er gerade am meisten Spaß hat, klingelt seine Mutter am Tor, um ihn abzuholen. Für ihn heißt das, dass er die nächsten Stunden an einer viel befahrenen Straße sitzen wird und seiner Mutter beim Betteln hilft. Sobald seine Mutter ihn dafür nicht mehr braucht oder sie nicht weiß, wo sie ihn unterbringen soll, bringt sie ihn wieder zurück zu educare.

Und dann ist da sein großer Bruder Daniel, der mit ihm spielt, ihn ins Bett bringt, ihn duscht, für ihn kocht und Wäsche wäscht, der mit ihm Zähne putzt, sich eben wie eine Mama um ihn kümmert. Und nie verliert er dabei die Geduld und den liebevollen Umgang mit ihm. Er selbst opfert seine Kindheit bzw. Jugend für seinen Bruder, um ihm zu ermöglichen, dass er nicht denselben Weg geht wie seine Mutter. Einen Weg ohne Perspektive, ohne Hoffnung. Immer stellt er seine Bedürfnisse hinten an, kümmert sich um seinen kleinen Bruder, anstatt mit den anderen Jungs Fußball zu spielen oder rauszugehen. Auf die Frage, wie er das alles allein schaffe, antwortet er mit „ich kann ihn nicht bei meiner Mutter lassen. Er verdient ein besseres Leben, ein Leben hier bei educare“.

Lebensgeschichten wie diese zeigen, wie wertvoll die Arbeit vor Ort wirklich ist. Wie wichtig es ist, den Kindern Aufmerksamkeit und Liebe zu schenken, ihnen eine warme Mahlzeit anzubieten und einen Ort zu geben, an dem sie zeigen können, wer sie sind, was sie können und gerne machen. Auch wenn sie nicht Tag und Nacht in dieser sicheren Umgebung sein können, wissen sie immer: Es gibt einen Ort, an dem ich sicher und angenommen bin!

Bericht von Jule Hauser, Lernhelferin bei educare, 2023