6. Mai 2023
Ein einmaliges Reiseerlebnis! – Mai 2022
Ein Reisebericht von unserem treuen Unterstützer Hans Mauch, der im Mai 2022 eine Reise nach São Paulo machte.
Wie kam es dazu, dass ich educare besuchte:
Im November 2018 wurde ein Benefizessen z. G. von Kindern in Brasilien, welche mit wenig Chancen und Hoffnung für eine gute Entwicklung in Sao Paulo aufwachsen, veranstaltet. Veranstalter war educare e.V. und das Essen fand in der Festhalle in Tuningen statt. Hier erfuhr ich welche großartige Arbeit von dem Team in Sao Paulofür die Straßenkinder des „Cracklands“ geleistet wurde und wird. Es wurde aufgezeigt, wie mit viel Improvisation, Kreativität und hohem Engagement der Mitarbeiter dort vor Ort vielen Kindern eine gewisse Normalität und Struktur im Tagesablauf gegeben wird.
Allerdings ist der Aufwand groß für eine Anzahl von über 100 Kindern täglich ein Programm aufzustellen, Mahlzeiten auf den Tisch zu bringen und auch die notwendigen Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Da ich schon länger verschiedene Projekte unterstütze, weil ich der Meinung bin, dass es nicht selbstverständlich ist, dass wir hier im Wohlstand leben und andere Menschen kaum existieren können, wollte ich auch hier etwas dazu beitragen, die Situation der Kinder zu verbessern (Zu dem Zeitpunkt kam hinzu, dass ich einen Verkehrsunfall gut überstanden habe und in den mir daraus zustehende Schadensersatz nicht zwingend benötigte. Mit diesen Mitteln konnte ich bei der Anschubfinanzierung der Sanitär- und Duschanlagen im educare Zentrum mithelfen.). Damals hat mir Christine Ritzi vorgeschlagen, die Arbeit von educare in Brasilien persönlich kennenzulernen.
Marius Ritzi führt uns durch die Anlage von educare in Sao Paulo.
Nachdem 2020 und 2021 pandemiebedingt keine Möglichkeit bestand konnte ich im Mai diesen Jahres zusammen mit fünf weiteren Reisegästen nach Sao Paulo fliegen. Marius Ritzi, Vorstand des Vereins war unser Reiseführer. Wir haben sehr viel Schönes, Interessantes, Beeindruckendes, Nachdenkens wertes und leider auch Bedrückendes erlebt und gesehen. Mein Bericht möchte ich aber auf einen Tag bei educare beschränken. Ich durfte vier Tage direkt bei Familie Borges im Camp wohnen.
Der Tag beginnt im Zentrum zwischen 8:30 Uhr und 9:00 Uhr. Die Kinder kommen nach und nach und können erstmal ohne Zwang sich auf dem Gelände bewegen und ihre Freunde begrüßen.
Von 10:00 Uhr bis ca. 12:00 Uhr geht es dann zu den unterschiedlichen Angeboten, von Sport über Kunst, Basteln, musischen Einheiten (Gitarre, Schlagzeug usw.) bis hin zu konkreten Lerneinheiten.
Hof zwischen dem Campgebäude und der Sporthalle. Hier können die Kinder sich uneingeschränkt bewegen und spielen.
Susanne Borges beim Kochen
Blick in einen Unterrichtsraum
Paralell wird das Essen für inzwischen bis zu 160 Kindern zubereitet, welches die Kinder anschließend in der Mittagspause mit Hochgenuss essen.
Es ist erstaunlich wie geordnet und ruhig das Mittagessen abläuft, zumal viele Kinder wenn sie zu educare kommen keine geordneten Mahlzeiten kennen, kein Tisch zuhause haben an welchem sie essen können und auch den Umgang mit Messer und Gabel nicht gewohnt sind. Mich hat besonders fasziniert, als vor dem Essen von zwei ganz jungen Kindern das Tischgebet gesprochen wurde, dass alle ganz still am Tisch saßen. Obwohl sie kurz vorher noch wild umher gesprungen sind. Das Mittagessen nehmen sowohl die Schüler ein welche am Vormittag Schule hatten, wie auch diejenigen, welche Mittagschule haben.
Kinder beim Mittagessen
Alle werden satt
Gruppen sammeln sich bevor sie in die Unterrichtsäume gehen.
Nach ca. eineinhalb Stunden freie Zeit wurden die Kinder wieder für ihre jeweilige Aufgabe / Aktivität eingeteilt. Sie warten geduldig bis sie mit ihren Betreuern in die jeweiligen Räume gehen können.
Zwischen 16:00 und 16:30 Uhr enden dann die Aktivitäten. Jedes Kind erhält ein Lunchpaket und verlässt dann bis ca. 17:30 Uhr das Zentrum. In der Regel werden die Kinder abgeholt.
Abholung der Kinder
Am Freitag wird den Mädchen, sofern Sie dies wünschen die Haare schick gemacht. Die älteren Mädchen bereiten mit viel Geduld und Routine tolle Frisuren.
Danach wird das Camp wieder etwas ruhiger, aber noch nicht Feierabend. Die Jugendlichen (i.d.R. zwischen 14-17 Jahre alt) die bereits mithelfen, erhalten regelmäßig im Rahmen von Feedbackgesprächen Hinweise und Anregungen was sie gut gemacht haben und in welchen Bereichen Sie noch Entwicklungspotenzial haben. Dies wird von den vier hauptamtlichen Mitarbeitern und i.d.R. von einem weiteren Jugendlichen geführt. Ich durfte solche Gespräche zweimal mit erleben und verspürte, ohne ein Wort zu verstehen die Intensität und auch den wertschätzenden Umgang aller Beteiligten. Ganz wichtig war auch, dass die jeweiligen Jugendlichen ihre eigene Sichtweise artikulierten. Ich empfand diese Gespräche sehr fördernd für eine gute Persönlichkeitsentwicklung.
Daneben fand an einem Abend in der Woche noch der Mädchenabend statt. Am Sonntagabend nach dem Gottesdienst war dann noch der erweiterte Kreis zum Austausch beieinander. Viele der Jugendlichen gehen dann Abends wieder nach Hause. Drei Mädchen und drei Jungs wohnen inzwischen im Camp jeweils in einer WG und sind ganztägig in die Betreuung der Kinder mit eingebunden.
Die Kinder in den Favelas freuen sich, dass Martinho sie besucht. Links und rechts des Ganges sind jeweils die einzelnen Räume der Familien. Hunderte von Menschen wohnen dicht gedrängt beieinander.
Besuch im Crackland
Einmal durfte ich mit Martinho die Favelas besuchen, damit ich mir ein Bild machen konnte unter welchen Umständen die Kinder leben müssen. Dies waren sehr bedrückende Momente, zu sehen dass eine mehrköpfige Familie i.d.R. in einem Raum leben muss und meistens für viele Familien nur ein Toiletten – und Waschraum. Daher ist es verständlich, dass viele Kinder es als Luxus empfinden Sanitäranlagen wie diese bei uns üblich sind bei educare nutzen zu können. Insgesamt hat mich die Lebensfreude und die Begeisterungsfähigkeit der Kinder die ich kennen lernen durfte fasziniert. Auch die Offenheit gegenüber Fremden, welche die Sprache nicht verstehen hat mich überrascht. Es gab keine Berührungsängste. Die Kinder haben einfach drauf los gebabbelt und im Zweifel ihre Worte mit entsprechenden Gesten unterlegt. Anstrengend aber lustig.
So wollten diese Beiden unbedingt ein Selfi mit mir machen und „Pipi“ (Artur Bild rechts) kam immer wieder angerannt.
Fazit:
Es war ein einmaliges Reiserlebnis, das mir gezeigt hat,
- dass für viele Kinder eine gute Grundlage für die zukünftige Entwicklung gelegt wird
- dass viel Optimismus und positive Lebenseinstellung bei den Kindern vorhanden ist obwohl sie in extrem schwierigen Verhältnissen leben.
- dass überdurchschnittliches vom Team und insbesondere von Familie Borges geleistet wird und sie sich rund um die Uhr für die betreuten Kinder einsetzen.
- dass jeder Euro direkt zum Wohle der Kinder eingesetzt wird.
- dass wir in unserer Wohlstandsgesellschaft die Möglichkeit nutzen sollten um zu helfen und von unserem Überfluss etwas abgeben sollten.
- dass wir in unserer Gesellschaft trotz überdurchschnittlichem Lebensstandard, im Hinblick auf der Rest der Welt, eine hohe Unzufriedenheit, Unsicherheit und Ängste verspüren und von diesen Kindern lernen können, zufrieden zu sein und unsere Lebenssituation zu schätzen.
An dieser Stelle nochmal herzlichen Dank an Familie Borges, Marius und alle Reiseteilnehmer, dass ich an dieser Reise teilnehmen durfte.
Hans Mauch