9. November 2020
Die Kinder Brasiliens – vergessen in Zeiten von Corona?
Die Corona-Krise stellt uns weiter vor große Herausforderungen, aber wir sind dankbar für alle freiwilligen Helfer, die Aufgaben dennoch nicht aufgeben und uns weiterhin unterstützen.
Zurück in Brasilien
Seit August sind wir, die Familie Borges, wieder zurück in Brasilien, nachdem sich unser Besuch in Deutschland aufgrund der Reisebeschränkungen ungeplant um einige Monate verlängert hatte. Wir sind dankbar, wieder hier sein zu können. Denn wir spüren täglich, dass die Kinder und Jugendlichen im Crackland unsere Arbeit mehr denn je brauchen.
Seit März sind die Schulen in Brasilien geschlossen und voraussichtlich wird es für den Rest des Jahres keinen Unterricht mehr geben. Das alltägliche Leben ist noch nicht wieder zurückgekehrt und diese Situation belastet vor allem die Kinder sehr. Seit über sechs Monaten leben sie, zum Teil wie eingesperrt, zuhause. Viele arbeitende Mütter haben keine Möglichkeit, die Kinder in eine Betreuung zu geben, weil alle Einrichtungen geschlossen haben.
Die Kinder verbringen den ganzen Tag drinnen, zum Teil vor dem Fernseher oder Handy. Alle sind verzweifelt und mit der Situation überfordert. Vor dem Lockdown hatten die Kinder immerhin den Kindergarten oder die Schule, die für Tagesstruktur, Austausch und Programm gesorgt und vor allem Essen geboten haben. Das alles fehlt seit über einem halben Jahr dringend im Leben der Kinder hier im Crackland. Die einzige Option für Abwechslung und Gemeinschaft bietet derzeit educare. Auch wenn wir unsere Arbeit nicht aktiv bewerben, strömen trotzdem täglich bis zu 120 Kinder zu uns. Immer wieder kommen neue, die über andere von unserer Arbeit erfahren haben.
Viele Bedürftige und Obdachlose werden von Kirchen und Gruppen versorgt und betreut, was natürlich auch sehr wichtig ist. Aber die Kinder scheinen zu den Vergessenen in diesen Zeiten gehören. Sie müssen noch größeres Leid tragen als sonst.
100 Mittagessen pro Tag
Gerade jetzt sind wir besonders dankbar für unseren großen Innenhof und den Platz, der auf unserem Gelände zur Verfügung steht. Die Kinder können ihre Energie ausleben, Fußball spielen, sich draußen bewegen. In unserem neu renovierten Essbereich bieten wir täglich über 100 Mittagessen an. Auch die Toilettenräume sind nun komplett fertiggestellt, so dass sich die Kinder richtig wohlfühlen und wir ihnen eine kleine Oase bieten können. Neben dem regelmäßigen Mittagessen verteilen wir weiterhin Lebensmittel- und Hygienepakete an bedürftige Familien.
Eine große Stütze sind uns in diesen Zeiten unsere Jugendlichen. Denn viele der freiwilligen Helfer, die bisher Kurse angeboten oder uns zeitweise beim Programm unterstützt haben, kommen nicht mehr. In Brasilien herrscht die Annahme, dass vor allem Kinder Corona übertragen, weshalb viele den Kontakt zu Kindern meiden. Wir sind froh, dass unsere Jugendlichen uns weiterhin unterstützen, bei den Essensausgaben helfen, die Aufsicht mit übernehmen, das Programm gestalten und einfach anpacken, wo immer es nötig ist.
Aus São Paulo grüßen euch ganz herzlich
Susanne Borges und Familie